Die Zwei-Implantat-Unterkiefer-Deckprothese

EINFÜHRUNG
Die abnehmbare Prothetik ist seit jeher eine schwierige und frustrierende Modalität. Das Kauen von Nahrungsmitteln mit diesen Prothesen hilft dem zahnlosen Patienten, sich angemessen zu ernähren; allerdings haben Totalprothesen, die selbst unter den idealsten Bedingungen konstruiert wurden, nur eine Kaueffizienz, die einem Bruchteil der des natürlichen Gebisses entspricht.1 Erschwerend kommt hinzu, dass das Fehlen der natürlichen Zähne und die fortgesetzte Verwendung der Totalprothese zu einer Resorption des Alveolarknochens führt, wodurch sich die Oberfläche des Fundaments für die Abstützung der Prothesenbasis verringert.

Die Verwendung enossaler, wurzelförmiger Zahnimplantate zur Verbesserung des Komforts und der Funktion herausnehmbarer Prothesen war für unzählige Prothesenträger ein großer Schritt nach vorn. Tatsächlich kam ein Gremium einschlägiger Experten auf der McGill-Konferenz 1992 zu dem Schluss, dass die vorliegenden Erkenntnisse darauf hindeuten, dass die Versorgung des zahnlosen Unterkiefers mit einer herkömmlichen Prothese nicht mehr die geeignetste prothetische Behandlung der ersten Wahl ist, und dass es überwältigende Beweise dafür gibt, dass eine 2-Implantat-Overdenture die Behandlung der ersten Wahl werden sollte.2

Da Kliniker regelmäßig diese anspruchsvollere Stufe der prothetischen Behandlung anbieten, ist eine Überprüfung bestimmter Grundsätze angebracht. Die Herstellung von herausnehmbarem Zahnersatz kann entweder eine äußerst lohnende Erfahrung oder eine frustrierende und anspruchsvolle Aufgabe sein. Alle Zahnärzte wollen die besten Ergebnisse für ihre Patienten erzielen, doch manchmal bleiben unsere besten Bemühungen hinter den Erwartungen der Patienten zurück. Aus diesem Grund ist der beste Weg, Misserfolge bei der implantatgetragenen abnehmbaren Prothetik zu vermeiden, ein klares Verständnis einiger grundlegender Prinzipien zu haben. In jeder Aufklärungsdiskussion über herausnehmbare Prothesen geht es immer auch um die Begriffe Halt, Stabilität und Retention. Um diese Konzepte in Bezug auf die implantatgetragene Prothese zu verstehen, muss man zunächst ihre Bedeutung in der konventionellen Totalprothetik verstehen. Wenn eine Prothese in einem oder mehreren dieser grundlegenden Punkte mangelhaft ist, kann sie entweder unbequem, dysfunktional oder sogar völlig unbrauchbar sein. Bei der Vorstellung zur Behandlung ist eine korrekte Diagnose entscheidend, um die besonderen Bedürfnisse des Patienten zu ermitteln und ein erfolgreiches Ergebnis zu gewährleisten. Mangelnder Halt, mangelnde Stabilität und mangelnde Retention werden jeweils auf ihre eigene Weise behandelt.

Abbildung 1. Eine präoperative Panoramaröntgenaufnahme. Abbildung 2. Ein zahnloser Unterkiefer mit 2 Zahnimplantaten.
Abbildung 3. Eine implantatgetragene Deckprothese für den Unterkiefer, gestützt durch Weichgewebe. Abbildung 4. Die eingesetzte Deckprothese mit voller Ausdehnung für Halt und Stabilität.

Abstützung
Als Abstützung wird der Bereich bezeichnet, auf dem ein Zahnersatz ruht. Es handelt sich um die Bereiche des Oberkiefer- und Unterkieferzahnkamms, die als am besten geeignet angesehen werden, die Kaukräfte zu tragen, wenn die Prothese in Funktion ist.3 Die tragende Fläche für die Abstützung der Unterkiefervollprothese stammt aus 2 Quellen:

1. Der äußere schräge Kieferkamm. Dies ist der primäre Stützbereich der Totalprothese. Er ist mit kortikalem Knochen ausgekleidet, horizontal zu den Kaukräften und nach Extraktionen stabil.

2. Alveolarfortsatz/Restrücken. Er besteht hauptsächlich aus Spongiosa und ist oft mit Kortikalis bedeckt. Er ist anfällig für fortgesetzte Resorption und nach Extraktionen nicht stabil.

Das retromolare Polster ist das birnenförmige Gewebe am posterioren Ende des Alveolarkamms und ist nach Extraktionen stabil. Es besteht aus nicht keratinisiertem, lockerem Alveolargewebe, das Drüsengewebe, Fasern des Musculus buccinator, Fasern des Musculus constrictor superior, Fasern der Raphe pterygomandibularis und dem Endteil der Sehne des Musculus temporalis bedeckt. Obwohl es sich nicht um eine primäre Stützstruktur handelt, ist es ein wichtiger Orientierungspunkt, der mit dem hinteren Flansch der Prothese abgedeckt werden muss, da er für die basale Abdichtung der Unterkieferprothese sorgt und eine wichtige Struktur für den Widerstand gegen horizontale Verschiebungen darstellt.

Stabilität
Stabilität ist definiert als die Eigenschaft einer Prothese, fest, stabil oder konstant zu sein und einer Verschiebung durch funktionelle horizontale oder rotatorische Belastungen zu widerstehen.3 Die Stabilität der Prothesenbasis wird in hohem Maße durch die Größe und Form der Restkanten beeinflusst. Leider ist der Restzahnkamm, wie bereits erwähnt, nach Extraktionen im Laufe der Zeit nicht stabil, und die Resorption führt zu Instabilität. Es hat sich gezeigt, dass die Form des Kieferkamms in direktem Zusammenhang mit der Stabilität der Prothese steht.4 Tatsächlich ist dieser Faktor für die Stabilität der Unterkieferprothese sehr wichtig. Weitere Faktoren, die für die Stabilität von konventionellem Zahnersatz eine Rolle spielen, sind die Anpassung der Prothesenbasis, die Restkieferkammbeziehung, die okklusale Harmonie und die neuromuskuläre Kontrolle.5 Der Widerstand gegen horizontale Verschiebungen, der die Stabilität definiert, erfordert eine maximale Anpassung der Prothesenbasis an den vorhandenen Knochen und die knöchernen Neigungen. Beispielsweise widersteht die Anpassung der Prothesenflansche an die linguale Neigung des Unterkiefers den horizontalen Kräften, da diese Neigung einen Winkel von 90° zur Okklusionsfläche bildet.

Retention
Retention ist die der Prothese innewohnende Eigenschaft, den Kräften der Verschiebung entlang des Einsetzpfades zu widerstehen.3 Faktoren, die die Retention beeinflussen, sind:

1. anatomisch (Größe und Form der Restkanten)

2. physiologisch (Menge und Viskosität des Speichels)

3. physikalisch (Adhäsion, Kohäsion und Oberflächenspannung)

4. neuromuskuläre Kontrolle

Typen von implantatgestütztem herausnehmbarem Zahnersatz
Zwei Arten von implantatgestütztem herausnehmbarem Zahnersatz werden in der Prothetik häufig verwendet.

Die erste ist eine weichteilgestützte, implantatgetragene Prothese. Dabei handelt es sich um eine Deckprothese, die primär von den anatomischen Strukturen des Mundes gestützt wird und Zahnimplantate ausschließlich für den Halt der Prothese verwendet. Es ist wichtig zu verstehen, wie diese Art von Prothese ihren Halt, ihre Stabilität und ihre Retention erhält.

Die weichteilgestützte und implantatgetragene Unterkieferprothese muss zu ihrer Abstützung eine vollständige Ausdehnung in den äußeren schrägen Kieferkammbereich haben. Außerdem muss sie über eine retromolare Auflage für eine basale Abdichtung und eine angemessene linguale Flanschextension für eine angemessene Stabilität verfügen. Da die Implantate nur für den Halt sorgen, müssen die anatomischen Strukturen den gleichen Halt und die gleiche Stabilität bieten wie bei einer konventionellen Vollprothese.

Die zweite Art von Prothese ist die implantatgestützte, implantatgetragene Prothese, in der Regel eine Steg-/Overprothese. Diese Deckprothese ist nicht auf die Unterstützung, Stabilität oder Retention durch anatomische Strukturen des Mundes angewiesen. Stattdessen sorgt das implantatgetragene Fundament, in der Regel ein Steg/Gerüst, für Halt, Stabilität und Retention des herausnehmbaren Zahnersatzes. Diese Art der implantatgestützten Prothese muss nicht in die Stützbereiche des bukkalen Regals im Unterkiefer hineinreichen. Sie kann auch ihre Ausdehnung zum Zwecke der Stabilität begrenzen, da dies in der festsitzenden Steg-/Gerüstkomponente der Prothese vorgesehen ist.

Der Kliniker muss die Bedürfnisse des Patienten während der diagnostischen Bewertung sorgfältig ermitteln und eine herausnehmbare Prothese anbieten, die den klinischen Mängeln des Patienten entspricht. Wenn der Patient über eine ausreichende anatomische Grundlage verfügt, die ihm Halt und Stabilität bietet, ist eine implantatgetragene Prothese, bei der die Implantate nur der Retention dienen, angemessen. Bestehen jedoch signifikante Defizite in der anatomischen Grundlage, die eine angemessene Retention und Stabilität ausschließen, ist eine vollständig implantatgestützte, implantatgetragene Prothese indiziert.

FALLBERICHT
Diagnose und Behandlungsplanung
Ein 65-jähriger Mann, der sich in einem guten Gesundheitszustand befand, stellte sich wegen des Ersatzes seiner bestehenden Totalprothese vor. Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich ein zahnloser Zustand mit ausgezeichnetem alveolärem Fundament im Ober- und Unterkiefer, was eine günstige Prognose für eine Totalprothese erwarten ließ. Es wurde eine Zahnlosigkeit der prothetischen Klassifikation 1 diagnostiziert. Die vorhandene Prothese des Patienten war schlecht sitzend, abgenutzt und musste ersetzt werden.

Der Behandlungsplan sah eine neue Oberkiefervollprothese und eine implantatgetragene Weichteilprothese für den Unterkiefer vor. Da die Unterkieferprothese allein durch 2 Implantate gehalten werden sollte, sollten die üblichen anatomischen Strukturen für Halt und Stabilität sorgen. Aus diesem Grund wurde die Unterkieferprothese mit einer angemessenen Ausdehnung in den äußeren schrägen Kieferkammbereich zur Unterstützung, mit lingualen Flanschen in den mylohyoiden Bereich zur Stabilität und mit einer Abdeckung des retromolaren Pads für eine basale Abdichtung konstruiert.

Zwei 4 × 13 mm große Zahnimplantate (Biomet 3i Osseotite Tapered Certain Prevail ) wurden in der Position der Zähne Nr. 22 und 27 eingesetzt und mit retentiven Aufbauten versehen, und die Gegenstücke in Metallgehäusen wurden in die Prothesenbasis (LOCATOR Attachment System ) eingearbeitet. Nach Abschluss der Laborarbeiten wurden die schwarzen Verarbeitungselemente durch Standard-Retentionselemente ersetzt (Abbildungen 1 bis 4).

SCHLUSSKOMMENTARE
Die Verwendung von Zahnimplantaten hat die abnehmbare prothetische Behandlung zahnloser Patienten erheblich verändert. Eine korrekte Diagnose der anatomischen und physiologischen Prothesenbasis im Hinblick auf Halt, Stabilität und Retention ist entscheidend für ein erfolgreiches Ergebnis. Es ist die Aufgabe des Zahnarztes, die Art der implantatgestützten Prothese zu bestimmen, die den Bedürfnissen des Patienten entspricht, und dann entsprechend zu planen. Wenn der Behandlungsplan eine weichgewebsgestützte, implantatgetragene Prothese vorsieht, muss die ordnungsgemäße Verlängerung und Anpassung nach konventionellen Verfahren erfolgen. Wenn der Behandlungsplan eine implantatgetragene, retinierte Prothese vorsieht, werden Halt, Stabilität und Retention durch das festsitzende Implantatgerüst gewährleistet, so dass eine Prothesenbasisverlängerung in der Regel nicht erforderlich ist.

Anerkennung:
Der Autor dankt Dr. Mohammad Emadi, Assistenzarzt für Prothetik, Nova Southeastern University College of Dental Medicine, Ft. Lauderdale, Florida.

  1. Winkler S, ed. Essentials of Complete Denture Prosthodontics. 3rd ed. Delhi, India: AITBS Publishers; 2015.
  2. Thomason JM. The McGill Consensus Statement on Overdentures. Mandibuläre 2-Implantat-Overdentures als Standardversorgung erster Wahl für zahnlose Patienten. Eur J Prosthodont Restor Dent. 2002;10:95-96.
  3. Das Glossar der prothetischen Begriffe: neunte Auflage. J Prosthet Dent. 2017;117:e1-e105.
  4. Ribeiro JA, de Resende CM, Lopes AL, et al. The influence of mandibular ridge anatomy on treatment outcome with conventional complete dentures. Acta Odontol Latinoam. 2014;27:53-57.
  5. Jacobson TE, Krol AJ. Ein aktueller Überblick über die Faktoren, die bei Totalprothesen eine Rolle spielen. Part II: stability. J Prosthet Dent. 1983;49:165-172.

Dr. Piermatti ist Diplomate des American Board of Prosthodontics und des American Board of Oral Implantology und arbeitet als Fakultätsmitglied und Leiter der Maxikurse für Zahnimplantate an der Rutgers University School of Dental Medicine und dem Nova Southeastern University College of Dental Medicine. Er unterhält außerdem eine Privatpraxis, die sich auf Prothetik und Zahnimplantologie spezialisiert hat, mit Niederlassungen in Voorhees, NJ, und Boynton Beach, Florida. Sie können ihn per E-Mail erreichen unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Sie müssen JavaScript aktivieren, damit Sie sie sehen können.

Bekanntgabe: Dr. Piermatti meldet keine Offenlegungen.

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