Man könnte erwarten, dass Wasser viel schneller verdampft als Eis. Überraschenderweise haben Forscher der Universität Amsterdam nun gezeigt, dass dies bei kleinen Eiströpfchen nicht der Fall ist: Eis und Wassertröpfchen verschwinden gleich schnell. Dies erklärt eine Tatsache, die Skifahrer gut kennen: frisch gefallener Schnee unterscheidet sich stark von Schnee, der ein paar Tage alt ist. Die Ergebnisse wurden diese Woche in Nature Communications veröffentlicht.
Wenn wir ein Glas Wasser auf einen Tisch stellen und lange warten, erwarten wir, dass das Wasser verdampft, aber nicht das Glas selbst oder der Tisch. Nach unserer Erfahrung verdampfen feste Stoffe nicht; daher erwarten wir intuitiv, dass auch Eis, ebenfalls ein Feststoff, nicht wesentlich verdampft. Dennoch findet ein solcher Prozess – in der Physik als Assublimation bezeichnet – statt: Skifahrer wissen zum Beispiel, dass selbst bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt einige Zentimeter Schnee innerhalb weniger Tage verschwinden können.
Ein überraschendes Ergebnis
Obwohl viel weniger erforscht als die Verdunstung von Flüssigkeiten, hat die Sublimation von festem Eis wichtige Konsequenzen, da sie sich auf das Klima (da Eis das Sonnenlicht reflektiert) sowie auf die Größe und Form von Eispartikeln in Wolken auswirkt (wodurch Schneeflocken, Hagelkörner und Eispellets entstehen) und von größter Bedeutung für die Bildung komplexer Erosionsmuster ist, wie z. B. Schneepennige in Schneefeldern in großen Höhen.
In einer Studie, die diese Woche in Nature Communications veröffentlicht wurde, untersuchten die Physiker Etienne Jambon-Puillet, Noushine Shahidzadeh und Daniel Bonn von der Universität Amsterdam die Sublimation von kleinen Eistropfen und Schneeflocken. Überraschenderweise stellten sie fest, dass die Sublimation eines gefrorenen Eistropfens unter denselben Bedingungen genauso schnell abläuft wie die Verdampfung desselben Tropfens, wenn er aus flüssigem Wasser besteht.
Diffusion setzt die Grenze
Die Forscher zeigen, dass dieser überraschende Effekt auftritt, weil die Verdampfungsgeschwindigkeit sowohl bei flüssigem Wasser als auch bei Eis durch den Prozess der Diffusion begrenzt wird: die Art und Weise, wie sich der entstehende Wasserdampf langsam durch die Luft ausbreitet. Diese Schlussfolgerung gilt nicht nur für Eiströpfchen, sondern auch für Schneeflocken: Diese werden während der Sublimation runder (siehe Abbildung); ein Prozess, der bisher auf den Einfluss der zugrunde liegenden kristallinen Struktur zurückgeführt wurde. Die Forscher argumentieren nun, dass diese kristalline Struktur nicht so wichtig ist, wie bisher angenommen wurde: ihre Diffusionsargumente reichen aus, um die in Experimenten beobachtete Entwicklung der Schneeflockenformen quantitativ zu erklären.
Die Ergebnisse erklären also den Unterschied zwischen frisch gefallenem Schnee und Schnee, der einige Tage alt ist. Doch die Schlussfolgerungen sind nicht nur für Skifahrer interessant, denn die Anwendungen sind nicht auf Eistropfen oder Schneeflocken beschränkt. Die Erkenntnisse gelten auch für die Auflösung von kleinen Kristallen, da deren Dynamik von der gleichen Physik bestimmt wird. Daher können die Ergebnisse auch bei der Kontrolle der Größe und Form von Nanopartikeln und Salzkristallen oder der Auflösungsgeschwindigkeit von Arzneimitteln angewendet werden.
Weitere Informationen: Etienne Jambon-Puillet et al. Singuläre Sublimation von Eis- und Schneekristallen, Nature Communications (2018). DOI: 10.1038/s41467-018-06689-x
Zeitschrifteninformationen: Nature Communications
Zur Verfügung gestellt von University of Amsterdam