Bewegungstherapie bei Claudicatio intermittens

Hintergrund

Die periphere Arterienerkrankung (pAVK) ist nach der koronaren Herzkrankheit und dem Schlaganfall die dritthäufigste Ursache für atherosklerotische Gefäßerkrankungen. Weltweit leiden mehr als 200 Millionen Menschen an einer pAVK, und es wird erwartet, dass diese Zahl aufgrund der alternden Bevölkerung weiter steigt. Darüber hinaus leiden etwa 20 % der Menschen mit pAVK an Claudicatio intermittens (IC), die durch Krämpfe, Schmerzen oder Schwäche der Beinmuskulatur (manchmal auch der Oberschenkelmuskulatur) beim Gehen gekennzeichnet ist. Mit dem Fortschreiten der Krankheit werden das Funktionsniveau und die Lebensqualität beeinträchtigt. Reduzierte körperliche Aktivität aufgrund von Beinschmerzen kann die Patienten in einen Teufelskreis führen, der zu einer sitzenden Lebensweise führt, was wiederum das Risiko eines Fortschreitens der Atherosklerose erhöht. Tägliche körperliche Aktivität kann diesen Teufelskreis durchbrechen; allerdings benötigen die Patienten Unterstützung und Betreuung, um eine Änderung des Lebensstils zu erreichen.

Wirkung von Bewegung

Bewegungstraining reduziert die Symptome der Patienten, indem es die Fitness steigert, die Schmerzschwelle erhöht, die Lebensqualität verbessert und ein weiteres Fortschreiten der Krankheit verhindert. Ein Cochrane-Review, an dem 1 816 Patienten mit stabilen Beinschmerzen teilnahmen, ergab, dass sich durch Bewegung die maximale Gehzeit im Vergleich zur üblichen Behandlung um fast fünf Minuten erhöhte. Die schmerzfreie und die maximale Gehstrecke nahmen um 82 bzw. 109 Meter zu. Diese Verbesserungen hielten bis zu zwei Jahre lang an. Die Wirkung von Bewegung ist jedoch nicht schlüssig, was die Verringerung der Sterblichkeit, kardiovaskuläre Ereignisse, Amputationen und den maximalen Blutfluss in der Wade betrifft.

Eine Meta-Analyse kam zu dem Schluss, dass die Lebensqualität von Patienten mit Claudicatio intermittens mit zunehmender Gehstrecke steigt. In diesem Zusammenhang wurde in einer Studie festgestellt, dass Bewegung im Vergleich zu einem chirurgischen Eingriff die gleiche Wirkung auf die Gehstrecke hat, dass aber bei Patienten, die sich einem chirurgischen Eingriff unterzogen, Nebenwirkungen auftraten. Diese Ergebnisse wurden durch eine spätere Metaanalyse gestützt, die ergab, dass Trainingsprogramme wesentlich kostengünstiger und risikoärmer waren als Operationen oder perkutane transluminale Angioplastie. In einer anderen randomisierten Studie, in der die Wirkung von körperlichem Training und antithrombotischer Therapie verglichen wurde, wurde eine signifikant größere Verbesserung der Gehstrecke in der Trainingsgruppe im Vergleich zur Medikamentengruppe festgestellt.

Die physiologischen, metabolischen und mechanischen Veränderungen, die während der Trainingsperiode auftreten, stimulieren vermutlich eine adaptive Reaktion, die letztendlich die Symptome reduziert. Da die arterielle Insuffizienz die Hauptursache für Claudicatio intermittens ist, könnte man erwarten, dass eine Verbesserung der Symptome nach dem Training mit einem erhöhten Blutfluss einhergeht. In einer Reihe von Studien konnte jedoch keine erhöhte Durchblutung der Beine bei Patienten mit verbesserter Gehfähigkeit nachgewiesen werden. Daher scheint es wahrscheinlich, dass Veränderungen der Mikrozirkulation, der Endothelfunktion und des oxidativen Stoffwechsels einen großen Teil der durch Bewegung induzierten Verbesserungen erklären.

Leitlinien für Bewegung

In den kürzlich veröffentlichten ESC-Leitlinien für die Diagnose und Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit wird eine überwachte Bewegungstherapie bei Patienten mit IC dringend empfohlen (IA), sowohl als Primärbehandlung als auch nach einem Eingriff. Dies steht im Einklang mit den amerikanischen Leitlinien, die folgende Empfehlungen für strukturierte Bewegungsprogramme geben:

  • qualifizierte Gesundheitsdienstleister sollten die strukturierten Bewegungsprogramme in einem Krankenhaus oder einer ambulanten Einrichtung beaufsichtigen
  • Gehen ist die empfohlene Behandlungsmodalität
  • Gehen sollte als Intervalltraining (Gehen-Ruhen-Gehen) bei mäßiger bis maximaler Claudicatio durchgeführt werden
  • Die Dauer der Übung sollte mindestens 30-45 Minuten pro Sitzung betragen, mindestens dreimal pro Woche für mindestens 12 Wochen
  • Aufwärm- und Abkühlphasen sollten Teil jeder Sitzung sein.

Betreutes versus unbeaufsichtigtes Training

Eine betreute Bewegungstherapie hat sich im Vergleich zu einem unbeaufsichtigten Training als statistisch signifikant wirksam bei der Verbesserung der maximalen Gehstrecke oder der maximalen Gehzeit erwiesen. Vierzehn randomisierte Studien mit 1.002 Teilnehmern wurden in die Untersuchung einbezogen. Die Zunahme der Gehstrecke betrug 180 Meter zugunsten der betreuten Trainingsprogramme. Da die Beteiligung an betreuten Bewegungsprogrammen jedoch gering ist, sollte der Schwerpunkt auf häusliche Bewegung gelegt werden, um die körperliche Aktivität und die Therapietreue auf lange Sicht zu steigern. Es gibt jedoch nur wenige hochwertige Daten über die Wirksamkeit von zu Hause durchgeführtem, betreutem Training zur Verbesserung der Symptome und der Gehfähigkeit von Patienten mit IC. In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2015 wurden nur sieben randomisierte kontrollierte Studien (sowie zwei nicht-randomisierte Studien) identifiziert, in denen häusliches betreutes Training mit krankenhausgestütztem Training oder „Go home and walk advice“ verglichen wurde. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass betreutes Training zu Hause die maximale und schmerzfreie Gehstrecke im Vergleich zu reinen Bewegungsempfehlungen verbessern kann, aber weniger wirksam ist als betreutes Training im Krankenhaus. Andererseits kann das betreute häusliche Training die mit dem 6-Minuten-Gehtest gemessene Gehleistung verbessern.

Das häusliche Training kann durch moderne Technologie betreut werden, beispielsweise durch Telecoaching oder Telemonitoring. Am Körper zu tragende Aktivitätsmonitore können zur Zielsetzung und Überwachung eingesetzt werden und steigern nachweislich die körperliche Aktivität von Patienten mit IC. Tele-Rehabilitation zu Hause mit Übungsanweisungen in Echtzeit ist bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz machbar und ebenso wirksam wie die Rehabilitation in einem Zentrum. Die Technologie, die für ein überwachtes häusliches Training benötigt wird, ist bereits vorhanden. Die Angehörigen der Gesundheitsberufe müssen nur bereit sein, sie in die klinische Praxis einzuführen.

Alternative Bewegungsformen

Auch wenn die empfohlene Bewegungsform bei Claudicatio das Intervallgehen ist, sind Patienten mit IC oft älter und haben möglicherweise Begleiterkrankungen, die das Gehen sehr schmerzhaft oder unmöglich machen. Es gibt jedoch immer mehr Belege dafür, dass verschiedene Übungsformen zu einer Verbesserung der Symptome und der Gehfähigkeit führen können. Eine systematische Übersichtsarbeit mit 36 randomisierten kontrollierten Studien (32 aerobe Studien, davon 20 mit Gehtraining, 4 Studien mit progressivem Widerstandstraining mit 1 183 Teilnehmern) kam zu dem Schluss, dass die meisten Arten und Intensitäten von Bewegung die Gehfähigkeit verbessern. Sowohl PRT als auch Oberkörpertraining erwiesen sich als vielversprechende Übungsformen; es sind jedoch weitere Studien erforderlich, um ihre Wirksamkeit im Vergleich zum Gehen zu validieren.

In einer anderen Studie wurde untersucht, ob eine beliebige Übungsform die körperliche Fitness und Funktion bei Patienten mit IC verbesserte und ob die Verbesserung der Gehfähigkeit mit diesen Ergebnissen zusammenhing. In diese Analyse wurden 24 randomisierte Studien (19 aerobe Bewegungsinterventionen und 5 PRT) mit 924 Teilnehmern einbezogen. Obwohl die Daten begrenzt waren, wurde ein starker signifikanter Zusammenhang zwischen der Kraft der Fußsohlenbeugemuskeln und der Veränderung der schmerzfreien und maximalen Gehzeit auf einem Laufband festgestellt. Darüber hinaus verbesserten sowohl das Gehen als auch die PRT signifikant die schmerzfreie und maximale Gehstrecke während eines 6-Minuten-Gehtests.

Sicherheit

Patienten mit IC haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, und die Besorgnis über die Sicherheit bei körperlicher Betätigung hat die Notwendigkeit eines kardiologischen Screenings vor Beginn eines Trainingsprogramms in Frage gestellt. In einer Studie von Gommans et al. wurde berichtet, dass die Komplikationsraten mit einem Ereignis pro 10.340 Patientenstunden gering sind. Die Autoren kamen daher zu dem Schluss, dass ein routinemäßiges Herzscreening vor der Teilnahme an einem Trainingsprogramm nicht erforderlich ist. Bei Patienten mit schweren Begleiterkrankungen ist jedoch Vorsicht geboten.

Zukunftsperspektiven

Da Gehübungen für Patienten mit IC schmerzhaft sind, müssen unserer Ansicht nach auch alternative und vorzugsweise schmerzfreie Übungsformen angeboten werden. Schmerzfreie Übungen lassen sich leichter in den Alltag integrieren und verbessern wahrscheinlich die Therapietreue. Dies erfordert weitere Untersuchungen zu verschiedenen Übungsformen und -intensitäten, sowohl hinsichtlich der Wirksamkeit als auch der langfristigen Therapietreue. Darüber hinaus müssen betreute Übungsprogramme für zu Hause entwickelt und mit Hilfe neuer Technologien, z. B. tragbaren Aktivitätsmessgeräten, angeboten werden. Es besteht auch ein Bedarf an mehr Daten darüber, wie Bewegung und verbesserte Fitness und Funktion die Prognose bei Patienten mit IC beeinflussen.

Schlussfolgerung

Überwachtes Gehen ist eine sichere und evidenzbasierte Behandlung bei Patienten mit IC, aber nur wenige Patienten bewegen sich gemäß den Leitlinien.

Bewegung verhindert das Fortschreiten der Krankheit, steigert die Fitness, erhöht die Schmerzgrenze und verbessert die Lebensqualität.

Alternative und weniger schmerzhafte Bewegungsformen als das Gehen können die Symptome und die Gehfähigkeit verbessern und sollten in Zukunft weiter untersucht werden.

Der Einsatz neuer Technologien muss in die klinische Praxis umgesetzt werden, um Patienten mit IC ein überwachtes häusliches Training zu ermöglichen.

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